Die Glocke | Nr.: 76 – 13. Woche – 143. Jahrgang | Rietberg | Donnerstag, dem 30.03.2023 /Teil 1
Von GERD DAUB-DIECKHOFF
Rietberg (gl). Sie sind schon uralt und doch noch von fester Struktur: Zwei zugespitzte Holzpfähle aus dem mittelalterlichen Rietberg. Die etwa 60 und 100 Zentimeter langen, bearbeiteten Artefakte wurden vor etlichen Jahren beim Umbau im Bereich des Kolpinghauses geborgen. Jetzt hat sie ein Mitbürger dem Heimatverein der Stadt Rietberg überlassen. Es ist anzunehmen, dass diese Funde aus einer Zeit, als noch Stadttore im Norden und Süden die Einfahrten markierten, stammen.
Weil man sie nicht mehr als reparaturfähig erachtet hat, wurden Rietbergs Tore im Norden und im Süden der Eingänge in die Kernstadt 1840 mit der ausdrücklichen Genehmigung des Kriegsministeriums zum Abbruch freigegeben. Bis es zu diesem Ende kam, hatten die Rietberger Stadttore mehrere Jahre die zuständigen
Behörden beschäftigt – dies führte bis hin zu Interventionen im preußischen Ministerium des Inneren und der Polizei sowie im Kriegsministerium in Berlin.
Über diese Thematik trug Professor Alwin Hanschmidt (†), früher Historiker an der Universität Vechta, viele Fakten zusammen (diese Zeitung berichtete darüber am 4.Juni 1991). Laut Hanschmidt, der aus Rietberg stammte, wurde das Nordtor für 180 Reichstaler an den Baumeister Bernard Adrian verkauft, das Südtor hat für vier Reichstaler weniger der Tischler Arnold Luesmeyer erworben. Die heimischen Käufer dürften sich über die Holzqualität der Mooreichen gefreut haben.
Im Erdreich zwischen dem Südwall und dem Kolpinghaus bis hin zur Friedenseiche fanden sich vor Jahren im Rahmen umfangreicher Neuverrohrungen in drei Metern Tiefe, zwei quer den Vorplatz des Kolpinghauses und die Mastholter Straße schneidende und parallel verlaufende Reihen von angespitzten Eichenpfählen. Gleichzeitig
stieß man in dieser Tiefe auf eine Packsteinanlage – eine Sammlung von Findlingen und teils behauenen Steinen. Was da zum Vorschein kam, freute Archäologen, denn es soll sich um Fundamentreste des mittelalterlichen südlichen Stadttors gehandelt haben.
Ein Dutzend Holzpfähle: Sie dienten der Befestigung, denn der Untergrund ist Sumpfland gewesen, wie die ganze Gegend rund um das Renaissance-Schloss Eden. Es spricht nach Ansicht von Fachleuten aber auch einiges dafür, dass die entdeckten Pfahlreihen mit ihren Spundbohlen, die eine exakte Nut/Federverzahnung aufwiesen,
eine alte Einschalung des ehemals offen fießenden Stadtgrabens darstellten. Eine Einschalung an einer ganz besonderen Stelle: „Dort, wo stadtauswärts der unmittelbar vorm Tor verlaufende Graben zu überqueren war, um auf die Mastholter Straße zu gelangen“, wie der frühere Rietberger Stadtarchivar Manfred Beine in einer Zusammenfassung von Fakten über die „Befestigungsanlage Rietberg“ schätzte.

Fundstücke aus dem Untergrund im Südtorbereich gingen in den Besitz des Heimatvereins über, bewundert von den Heimatfreunden Franz-Josef Laukemper (l.) und Günter Höppner: Zwei eicherne zugespitzte Pfahlteile.
Solche Pfähle von etwa zwei Metern Länge wurden im späten Mittelalter aus widerstandsfähigem Mooreichenholz hergestellt, das in Rietbergs morastiger Umgebung reichlich zu finden war. Fotos: Daub (2)