Klimaschutz ist auch Gesundheitsschutz
Vortrag von Dr. Reinhard Hochstetter „Klimaschutz ist auch Gesundheitsschutz“
Die Glocke | Nr.: 104 – 18. Woche – 143. Jahrgang | Rietberg | Freitag, dem 05.05.2023

Informierte im Heimatforum der Alten Volksschule Neuenkirchen zum Thema „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“: Dr. Reinhard Hochstetter.
Foto: Schulte-Nölle
Von SUSANNE SCHULTE-NÖLLE
Rietberg-Neuenkirchen (gl). In Deutschland sind in den drei Sommern zwischen 2018 und 2020 rund 19.000 Menschen an den Folgen der Hitze gestorben. Das zeigt eine Auswertung vom Robert-Koch-Institut, Deutschem Wetterdienst und Umweltbundesamt. Dass Klima und Gesundheit etwas miteinander zu tun haben, liegt auf der Hand.
Wie komplex das Thema aber ist, offenbarte am Mittwoch ein Vortrag von Dr. Reinhard Hochstetter im voll besetzten Heimatforum der Alten Volksschule Neuenkirchen.
Hochstetter ist Mediziner, war bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand Mitte 2021 nach 38 Jahren Berufstätigkeit Teil der Hausarzt-Gemeinschaft Rietberg an der Delbrücker Straße und ist außerdem in überregionalen Gremien wie dem Deutschen Ärztetag und der Ärztekammer engagiert. Er weiß also, wovon er spricht, wenn er sagt: „Klimaschutz ist auch Gesundheitsschutz. Wir haben nicht noch einmal 50 Jahre Zeit, um unser Handeln zu ändern, wenn wir wollen, dass auch unsere Enkel noch genau so gut leben können, wie wir.“
Seine Mission am Mittwoch war deshalb faktisch eine Doppelte und glückte ebenso anschaulich wie eindrücklich: Aufrütteln, was auf dem blauen Planeten schief läuft. Umweltverschmutzung, CO2-Anstieg und Ressourcen-Ausbeutung, um nur einige Stichworte zu nennen. Aufklären, warum diese Entwicklungen das Klima negativ beeinflussen, und aufzeigen, dass Verbesserungen auf dieser Seite auch der menschlichen Gesundheit zuträglich wären.
Die Probleme, die eben jene ungünstig beeinflussen können, benennt Dr. Reinhard Hochstetter dabei wie folgt:
Hitze und ihre Folgen
Hitzetage über 30 Grad Celsius und Extrem-Hitzetage über 35 Grad Celsius gibt es auch in Deutschland immer häufiger. Hitzekollaps, Hitzeerschöpfung und Hitzschlag können die Folgen sein.
Hochstetter rät: „Behalten Sie einen kühlen Kopf, indem Sie im Schatten bleiben, regelmäßig Wasser trinken, Ihre Wohnung möglichst kühl halten und anderen Menschen in Not helfen.“
Ums sich Entlastung von den drückenden Temperaturen verschaffen zu können, empfiehlt der Arzt, im Sommer Kompressen oder Kühlakkus im Kühlschrank vorzuhalten und bei Bedarf aufzulegen.
Den gleichen Zweck erfüllen aber auch Tiefkühlerbsen, eingeschlagen in ein Handtuch. Bewährte Hausmittel sind zudem erfrischende Wadenwickel und ein Fußbad in kaltem Wasser.
Auf eiskalte Getränke sollte man derweil verzichten: „Sie müssen im Magen erst auf Körpertemperatur gebracht werden. Dazu wird der Stoffwechsel aktiviert und wir schwitzen noch mehr.“
Auch bestimmte Medikamente können im Sommer Probleme verursachen, nämlich dann, wenn sie etwa das Durstgefühl oder Schwitzen unterdrücken. Hochstetter: Eigentlich sollten die Hausärzte das im Blick haben und das Präparat dann für eine Weile absetzen oder die Dosis reduzieren. Leider ist das aber nicht immer der Fall, Deshalb sollten Sie im Zweifelsfall selbst das Gespräch suchen.“
Tigermücke auf auf dem Vormarsch – Infektionskrankheiten
Weil es in unseren Breitengraden immer wärmer wird, können hier nun auch Tiere heimisch werden, die ursprünglich nur auf anderen Kontinenten zu finden waren. Aktuelles Beispiel ist die Asiatische Tigermücke. „Sie kann Krankheitserreger wie das Dengue-, das Chikungunya- und das Zika-Virus übertragen“, erklärt Dr. Reinhard Hochstetter. Er möchte indessen nicht unnötig beunruhigen. Schließlich könnten Hausarztpraxen im Fahrwasser der Globalisierung längst Erfahrungswerte mit diesen und andere Tropenkrankheiten vorweisen
und wüssten daher, was bei einem Befund dieser Art zu tun ist.
Auch die Zecken breiten sich in Deutschland stetig aus. Die kleinen Krabbler können eine Vielzahl von Infektionskrankheiten auf den Menschen übertragen, darunter Borreliose – eine Bakterieninfektion – und die Frühsommer-Meningoenzephalitiis (FSME).
„Viele denken, sie können sich FSME in Deutschland nur in Bayern und Baden-Württemberg einfangen. Aber das ist längst nicht mehr richtig. Vereinzelt sind Fälle schon in den Kreisen Paderborn und Lippe nachgewiesen worden“, macht Hochstetter deutlich. Gleichzeitig gelte: „Eine Impfung kann hier schützen!“ Das Robert-Koch-Institut empfiehlt drei Impfgaben, um den vollen Schutz zu erreichen. Auf die erste Gabe folgt nach zwei bis zwölf Wochen die zweite und wiederum fünf bis zwölf Monate später die dritte. Der Impfschutz hält dann mindestens drei Jahre.
Feinstaub ist ein Riesenproblem
Atemwegserkrankungen
Als ein Riesenproblem bezeichnet der Mediziner in diesem Zusammenhang den Feinstaub. Die kleinen Partikel können je nach Größe in die Bronchien, Lungenbläschen oder sogar über die Lunge ins Blut gelangen. Je tiefer sie eindringen, desto gefährlicher wird es. Kurzfristig können die Partikel Husten, Schleimhautreizungen und Kurzatmigkeit provozieren, langfristig Lungen- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen. Übrigens: „Die Autoabgase sind die eine Seite der Medaille, der Reifenabrieb beim Fahren und Bremsen die andere, weitaus gewichtigere. Wenn die Feinstaubkonzentration in der Luft reduziert wird, merken wir ganz schnell, dass es uns besser geht.“
Als weiterer Knackpunkt erweist sich laut Hochstetter, dass Feinstaub Pollen allergener werden lässt. Der Klimawandel wiederum lasse die Pollensaison früher beginnen und begünstige durch das milde Wetter überdies die Pollenbildung.
Kindergesundheit
Für Dr. Reinhard Hochstetter steht fest: „Kinder leiden mit Sicherheit am meisten unter dem Klimawandel – allein schon aufgrund der Tatsache, dass sie viel länger damit zu tun haben werden als wir.“ Tatsache sei aber auch, dass Kinder hitzeempfindlicher und schneller ausgetrocknet sind als Erwachsene und ihre Atemwege, was in der Folge schneller zu Asthma führen kann. Nicht zuletzt bauten Kinder schneller Zukunftsängste auf. „Das können wir etwa in der Fridays-for-Future-Bewegung sehen.“
Psychische Gesundheit
Der Klimawandel und seine Folgen zieht nicht nur die körperliche Gesundheit in Mitleidenschaft – „auch die Psyche kann Schaden nehmen,“ weiß der Hausarzt im Ruhestand. Während Hitzewellen und Hitzetote, Dürre, Hungersnot, der Anstieg des Meeresspiegels, Verlust der Artenvielfalt, Luftverpestung und Extremwetterlagen die einen in die Verzweiflung trieben, reagierten wieder andere mit Verleugnung, Rationalisierung, Schuldzuweisung oder Projektion. Allerdings möchte Hochstetter auch Mut machen: „Das Bewusstsein, dass Klimaschutz immens wichtig ist, nimmt zu. Auch das sollten wir wahrnehmen und positiv bewerten.“